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Storytelling: Ein Blick in die Zukunft von PR und Marketing

90 % aller Informationen, die in unserem Gehirn ankommen sind visuell. Wir erinnern uns tatsächlich an 80 % dessen, was wir gesehen haben und nur an 20 % dessen, was wir gelesen haben. Unumstritten also, wie wichtig es ist, ein visueller Storyteller zu sein. Sie müssen Geschichten so interessant erzählen und visuell aufberieten, dass sich die Nutzer im Web daran erinnern. Doch die eigentliche Power von Storytelling liegt noch wo ganz anders: In der Sinnstiftung und der Befreiung von Überfluss.


In unserer heutigen Welt sind Kapitalismus und Wohlstand seit Generationen etabliert und bestimmen das Befinden und Verhalten des Einzelnen. Heute geht es nicht mehr ums “Überleben” sondern allenfalls um das “emotionale Überleben” und um die Fragen hinter den Grundbedürfnissen Essen, Schlafen, Wohnen.

Wenn also Marken es schaffen, mit ihrem Produkt und ihrer Geschichte, Antworten auf die Fragen zu geben, was nach der Existenzsicherung kommt und wie man das Leben mit Schönheit und Sinn füllen kann, wird der Mensch vom Überfluss befreit und verknüpft das Produkt mit diesem für seine emotionale Existenz so wichtigem Lösungsangebot.

Produkte als Identifikationsmittel

Produkte sind nicht mehr einfach nur zweckgebunden (man kauft ein Waschmittel, weil man eben waschen muss), sondern sie sind zu einem wirklichen Identifikationsmittel geworden. Dabei geht es nicht nur darum, ein Produkt mit einem beliebigen Branding auszustatten. Man hat sowohl als Produktentwickler wie auch als Werbedesigner die Chance, die Werte in unserer Gesellschaft zu formen und zu verändern und das jeweilige Produkt nicht nur äußerlich mit einer Botschaft zu behängen, sondern mit einem tatsächlich sinnstiftenden Wert zu verknüpfen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kampagne von Dove, die den Trend setzt, Schönheit wieder unter anderen, natürlicheren Gesichtspunkten zu betrachten und einer Generation von Frauen, die unter dem Werbediktat der Vergangenheit eine Menge Selbstvertrauen eingebüßt hat, ihren Stolz (und damit auch ein kleines bisschen Glück) zurückzugeben imstande ist.

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Die Strategie von Dove ist dabei mehr als ein geschickter Schachzug und es steckt auch kein blauäugiges Gutmenschentum dahinter. Vielmehr ist diese Kampagne ein Beispiel für einen gesellschaftlichen Trend, der ganz eindeutige gesellschaftspsychologische Ursachen hat und deswegen für alle unbedingt beachtlich ist: Das sogenannte „emotionale Überleben“ in einer Gesellschaft misst sich, nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse Essen, Schlafen, Wohnen, an dem Potenzial real erlangbaren Glücks, das zu erreichen im Leben möglich ist. Es geht nicht mehr um die Illusion von Glück, sondern um wirkliches Glück. Ein Produkt mit einer Geschichte auszustatten, die den Konsumenten diesem Ziel auf ehrliche Weise ein Stückchen näher bringt, könnte der uns erwartende gesellschaftliche Trend und die hohe Kunst der Werbung sein

Was ist eigentlich eine Story?

Solange es Menschen gibt, erzählen sie sich Geschichten. Den erfolgreichsten von ihnen liegt das universelle Prinzip der Heldenreise zugrunde. Das gilt für Homers Odyssee genauso wie für die meisten Hollywoodfilme und eben auch für einen guten Werbespot. Was aber ist eine Heldenreise und warum ist dieses Prinzip so erfolgreich?

Die Heldenreise beschreibt die Suche nach Erkenntnis, die jeder Mensch im Leben zu bewältigen hat.

Das größte Hindernis für den Einzelnen ist dabei das Kollektiv und anders herum. Es geht um die Fremde, mit der jeder Einzelne seinen kleinen Frieden machen muss und die dem Menschen zum ersten Mal nach dem Verlust seiner Nabelschnur begegnet.  Die Psychologie benennt diese erste Konfrontation mit der Fremde als das Geburtstrauma, das jeden Menschen Zeit seines Lebens mit der Sehnsucht nach der Rückkehr in den Mutterleib belegt. Dort sind wir eins mit dem Kosmos, wir sind gewollt und geliebt. Die Sehnsucht nach dieser unbedingten Richtigkeit unseres Seins ist die tiefere Wahrheit hinter jedem Primärbedürfnis, das mit Konsumgütern oder Dienstleistungen befriedigt werden will. Diesen Teil, den Grund für das Geschichtenerzählen, kennt die Werbung natürlich schon lange. Schliesslich verspricht jeder Spot, jedes Plakat und jeder Slogan irgendwie das positive Ende einer Suche („Wenn der kleine Hunger kommt“, „Morgens halb zehn in Deutschland“, etc).

Die Heldenreise

Die Heldenreise aber abstrahiert das Prinzip Bedürfnis/Bedürfnisbefriedigung und schaltet die Figur des Helden dazwischen. Eine Figur (wahlweise auch durch Gruppen, Tiere oder Maskottchen jeder Art zu ersetzen), die ihr Ego opfert, um die Bedürfnisbefriedigung des Kollektivs zu organsieren.

Heldenreise nach Vogler

Der Held erkennt den gesellschaftlichen Mangel, verlässt im Namen Aller die gewohnte Welt, tötet in einem dramatischen Konflikt sein Ego und überwindet damit die Angst vor dem Tod. Er erlangt eine höhere Erkenntnis und kehrt transformiert in die alte Welt zurück, um seine Erfahrung dem Kollektiv zur Verfügung zu stellen.

In Hollywood sieht das beispielweise so aus: In dem Film „Matrix“ verlässt der Held Neo seine gewohnte Welt (die Matrix), überwindet sein Ego indem er die richtige Pille schluckt, erkennt, dass die Welt, wie wir sie kennen, eine Illusion ist und kommt als Krieger zurück, um den Rest der Menschheit zu befreien.In der Werbung ist das dann folgendermaßen: Red Bull erkennt den gesellschaftlichen Mangel, nämlich dass die Menschen zu wenig Abenteuer erleben. Also schicken sie einen Helden in die Spur, der im Namen Aller seine Angst vor dem Fall (also vor dem Tod) überwindet, einen spektakulären Fallschirmsprung hinlegt  und eine Erkenntnis zu den unten Gebliebenen trägt, die da lautet: Der Mensch ist imstande, die Naturgesetze zu besiegen, wenn er die Angst vor dem Tod zu überwinden lernt. Oder anders: „Red Bull verleiht Flügel“.Das Handwerkszeug.

Es geht in einer Story immer um Werte, die gefunden, verworfen oder neu entwickelt werden. Das ist in den Mythen so und auch in einem guten Spot oder einer Kindergeschichte. Ein Beispiel: Ein Mann strebt nach einer Politkarriere und vernachlässigt dabei seine Familie. Als sein Sohn sich umbringt, wird er aus Mitleid gewählt und muss sich entscheiden, ob er die Wahl annimmt oder nicht. Die Werte zu Beginn der Story lauten Karriere versus Familienglück und am Ende Pietät versus politische Verantwortung.

In der Werbung werden Produkte auch oft mit Werten verknüpft, oft aber mit völlig konstruierten: Die Bild mit der Wahrheit, ein Duschgel mit Sex, ein Schokoriegel mit Gesundheit etc. Was aber werbestrategisch viel bedeutsamer ist, als der tatsächliche Zusammenhang von Produkt und Wertbeschreibung ist die Tatsache, dass hierbei der zentralste Teil des Storytellings unbeachtet bleibt: Echte, tiefe Erkenntnis, das lehren uns die Dramaturgie, beziehungsweise die Mythologie und die Psychologie, entsteht nur in Konfrontation mit dem Äußersten. Deswegen ist jeder Klimax ein Symbol für das Motivpaar Tod und Wiedergeburt, auch wenn man das im Falle von Red Bull zum Beispiel, erst auf den zweiten Blick erkennt.

Der uralte Wunsch nach Geschichten, und darin liegt der eigentliche Schatz des Storytellings, entspringt einem kollektiven Wunsch nach Fortentwicklung der Menschheit durch Erkenntnis.

Bei schlechten Stories fehlen meistens Konflikte

Und nicht nur das. Auch der Wunsch nach Auflösung allen Leidens in der Welt (das ist der individuelle Aspekt) wurzelt tief im kollektiven Unterbewusstsein und betrifft deshalb nicht nur eine bestimmte Gruppe sondern alle. Eine gute Dramaturgie beschreibt das Leben und immer das Leben mit seinem ewig vorhandenen Grundkonflikt, im Kleinen wie im Großen.

Was in schlechten Stories meist fehlt, sind einzelne Elemente der Grundstruktur, zum Beispiel der tiefe, symbolische Konflikt, oder die einzelnen Stufen, die zur echten Erkenntnisfähigkeit nötig sind. Im Prinzip der Heldenreise ist aber alles vorhanden. Natürlich muss nicht in jedem Spot die komplette Dramaturgie verwendet werden. Es lohnt sich aber immer zu schauen, wieviel vom Urmenschlichsten man in ein Thema übertragen kann, damit das kollektive Unterbewusstsein anklingt.

Dabei kann man sich auf kollektive Unbewusste unbedingt verlassen. Wenn in einem Spot beispielsweise ein Profi gezeigt wird, der erklärt, wie man das Produkt zu verwenden hat, ist die mythologische Folie dieses Profis automatisch und in jedem Kopf eine sogenannte Mentorenfigur. Sobald man eine solche Figur einführt, sieht der Zuschauer auf der Sachebene den Profi, im kollektiven Märchenschatz klingeln aber sofort alle Geschichten mit, in denen ein Held eine schwere Aufgabe zu bewältigen hat und Hilfe bei einem klugen Meister sucht. Der Profi vor der Kamera ist damit sofort Vertrauen erweckend.

Die Heldenreise mit all ihren Archetypen ist im Grunde ein großes Bilderbuch, aus dem man nur die Folien heraus kopieren muss. Der Held hat tausend relevante Begegnungen. Er muss einen Widerständler haben, den Antagonisten oder Schatten. Es gibt einen Mentor, der Motivation stiftet und Rat gibt und Schwellenhüter, die das Geheimnis beschützen. Es gibt Anima/Animus (Figuren, die die andersgeschlechtlichen Seelenteile und seine Sehnsucht danach repräsentieren), Tricksterfiguren, die Chaos verbreiten, Gestaltenwandler und viele andere.

Vereinfachend kann man aber sagen, dass es immer gut ist, einen Helden zu etablieren und das zu bewerbende Produkt entweder als Storywert (also Sehnsuchtsobjekt) oder als entscheidendes Hilfsmittel zur Erlangung desselben zu etablieren.

Was man sich vor allem aber merken muss, ist das: In einer guten Story geht es immer ums Wesentliche.Die Zukunft der Werbung.Man könnte also behaupten, in der Werbung müsse dieser Begriff, das Wesentliche, nur durch eine gute Dramaturgie assoziativ an ein beliebiges Produkt gekettet werden. Das ist im Grunde sogar richtig. Natürlich ist es möglich, sich an den tiefsten Wunschkammern des menschlichen Seins zu bereichern. Aber wie wir oben bereits geschrieben haben, ist durchaus auch beides möglich.

Die Vermarktung eines Produkts und die Achtsamkeit für das, was wir persönlich für wertvoll erachten. Red Bull hat mit seinem Stratosphärensprung durchaus ein kollektives emotionales Erlebnis geschaffen, das den Einzelnen Zuschauer möglicherweise daran erinnert hat, dass ein freier Fall das Leben bereichern kann. Und wenn eine Frau durch den Kauf eines Beautyprodukts einen Werbespot gegenfinanziert, der den Blick ihres Mannes von ihren dicklichen Schenkeln zu ihrem bestrickenden Lächeln leitet, ist das doch durchaus etwas Schönes. Denn trotz all der Konkurrenz im Business sollten wir darüber nachdenken, eine Maxime aufzustellen, die ich letztens von einem sehr gut situierten Managementtrainer gehört habe: „Man sollte unbedingt im Job bleiben und kann dabei trotzdem sehen, dass die Welt ein bisschen besser wird.“

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